Ein Sommer im Baumarkt, Teil 2: Bauhaus versus Hornbach

Du willst renovieren?Wer schon einmal ein Haus gebaut oder sein Zuhause renoviert hat, weiß, dass man dabei allerlei Stress bewältigen muss. Kürzlich schrieb ich von meinen Erfahrungen mit Handwerkern und nun sind die Baumärkte dran. Diesmal erzähle ich nicht nur, was ich persönlich erlebt habe, sondern auch was man mir erzählt hat. All das hat sich tatsächlich während unserer Renovierungsphase abgespielt.

Um euch grausige Albträume von Zombies zwischen Baumarktregalen zu ersparen, fasse ich es zunächst kurz zusammen. Typische Antworten von Baumarkt-Mitarbeitern an verzweifelt wartende Kunden:

  • „Merken Sie nicht, dass das nichts bringt?!“
  • „Fragen beantworten nur Mitarbeiter mit der roten Weste!“
  • „Woher soll ich das wissen? Haben Sie schon danach gegoogelt?“

Nun die längere Fassung, falls ihr wissen möchtet, wie es zu den genannten Antworten kam. Am besten ich nenne keine Namen, sondern schreibe von Baumarkt X und Baumarkt Y. Am Ende dürft ihr dann selbst überlegen, bei welchem davon es sich um BAUHAUS und bei welchem um HORNBACH handelt.

Baumarkt X

Als einer der Männer unseres Renovierungsteams schnell mal etwas im Baumarkt X kaufen wollte, sich aber nicht sicher war, ob er das richtige Teil in den Händen hielt, wandte er sich an einen der Mitarbeiter. Darauf dieser: „Fragen beantworten nur Mitarbeiter mit der roten Weste. Und wie Sie sehen, trage ich eine grüne.“ Zu dumm, dass weit und breit keine rote Weste zu sehen war.

Erinnert ihr euch noch an den Baumarktwitz, dass sich die Mitarbeiter immer vor den Kunden verstecken? Immerhin tun das im Baumarkt X nicht mehr alle – nur die mit der roten Weste. Außerdem gibt es dort Infotheken. Vielleicht ist euch schon mal aufgefallen, dass auf diesen Theken Telefone stehen. Ein Schild daneben erklärt dem Kunden: „Wenn diese Information nicht besetzt ist, rufen Sie die Nummer 526 an“. Ein Kunde hob den Hörer ab und wählte die Nummer. Daraufhin klingelte ein Handy, das auf dem Tresen neben dem Telefon lag. Der Mitarbeiter war einfach ohne sein Mobiltelefon losgezogen. Was tut man in so einer Situation? Besagter Kunde war hart im Nehmen und ließ das Telefon einfach klingeln. Sein Hintergedanke lautete vermutlich: Der Mitarbeiter hört das Mobiltelefon schon von weitem und kommt dann zur Information. Nach einigen sehr langen Minuten erschien der Baumarkt-X-Mitarbeiter tatsächlich, schaute den Kunden verwirrt an und fragte: „Merken Sie nicht, dass das nichts bringt?!“ – „Ja, jetzt schon“, entgegnete dieser. Dann verschwand der Baumarkt-X-Typ wieder. Effekt: Der Kunde ließ den gut gefüllten Einkaufswagen stehen und kaufte die Sachen bei der Konkurrenz.

Übrigens endete nahezu jeder unserer Besuche im Baumarkt X damit, dass wir die Ware doch nicht kauften, sondern zur Konkurrenz fuhren. Irgendwann sahen wir ein, dass man eine Menge Zeit spart, wenn man direkt zum Mitbewerber fährt.

Baumarkt Y

Jetzt fragt ihr euch vermutlich, wo es einen Baumarkt gibt, in dem sich die Angestellten nicht verstecken. Ich hätte auch nicht gedacht, dass es die Spezies „kompetenter und kundenfreundlicher Mitarbeiter“ in diesen Häusern überhaupt noch gibt, aber das tut es.

Ob es im Baumarkt Y Infostände mit Telefonen gibt, weiß ich gar nicht, denn ich konnte nie danach suchen. Stets kam mir ein Mitarbeiter mit der Frage „Kann ich Ihnen weiterhelfen?“ dazwischen. Da muss man sich als erfahrener Baumarkt-X-Kunde extrem im Griff haben, um den Baumarkt-Y-Menschen nicht herzlich zu umarmen. Beinahe hätte ich einen der Azubis adoptiert. Der junge Kerl hatte Fachwissen. Nein, nicht ein wenig, sondern so richtig. Es ging um Bodenbeläge, aber später sah ich, wie er eine Familie in der Tapetenabteilung beriet. Bevor ihr nun glaubt, der noch unverdorbene Kerl sei eine Ausnahme gewesen, weise ich ausdrücklich darauf hin, dass auch andere Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen auf mich zugekommen waren.

Vergesst nicht, dass ich die ganzen Sommerferien im Baumarkt verbracht habe – das ist ganz schön viel Zeit, um Leute kennenzulernen. Doch egal an welchem Wochentag oder um wie viel Uhr ich im Baumarkt Y den Eingang durchquerte, stets gesellte sich eine Mitarbeiterin oder ein Mitarbeiter zu mir. Jeder davon kannte sich gut aus und erschien mir sowohl kompetent als auch vertrauenswürdig.

Nun seid ihr dran. Denkt an eure Erfahrungen zurück und überlegt, welcher Baumarkt hinter X und welcher hinter Y stecken könnte.

 

 

 

 

 

 

Koblenz und ich, oder: Ein Interview mit mir

Vor einigen Monaten erhielt ich eine Interview-Anfrage, die mich sofort interessierte. Im Gespräch sollte es um meine Wahlheimat gehen: Koblenz. Das ist die wunderschöne Stadt an zwei Flüssen, deren Größe genau richtig ist, um sich darin wohl zu fühlen. Kultur und Natur, Stadtleben und Erholung – ein Miteinander mit rheinischem Mittelmeerflair. Altstadt mit Charme, Karneval und sehr viel Potenzial für Arbeit und Leben von morgen. Kurz: Lebensqualität.

Für mich ist Koblenz eine Herzenssache, daher sagte ich zu und traf mich im September mit Bettina Manuela Lange (genannt Bela) am Moselufer in Koblenz-Güls. Dort fanden die kleine Foto-Session und unser Gespräch statt. Obwohl mir in Koblenz viele Plätze sehr gefallen und ich beispielsweise die italienische Stimmung am Jesuitenplatz genieße, entschied ich mich für die Lauf- bzw. Spazierstrecke an der Mosel. Gerne lasse ich euch an dem Interview teilhaben. Wer mag, kann es hier lesen: Augenblick mal – Mein Zuhause. Meine Stadt.

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September 2017 – Interview auf: augenblickmal-meinzuhausemeinestadt.de

 

Ein Sommer im Baumarkt, Teil 1: Der Handwerker

WerkzeugMein Sommer, falls sich diese Wochen überhaupt als Sommer bezeichnen lassen, enthielt leider keinen Urlaub. Stattdessen durfte ich Umzugskartons packen, Tapeten sowie Fußböden aussuchen und das neue Zuhause renovieren. Nein, nicht ganz alleine. Allerdings auch nicht mit professioneller Unterstützung, denn die guten Handwerker waren so kurzfristig nicht mehr zu bekommen und diejenigen, die ich hätte kriegen können, wollte ich dann lieber doch nicht. Womit soll ich nun anfangen, mit der Handwerker-Story oder dem unfreiwilligen Baumarkttest?

„Wer sich auf den Handwerker verlässt, ist verlassen.“

Kennt ihr diesen Spruch? Früher hätte ich sofort mit „Stimmt doch gar nicht! Es gibt hervorragende Handwerker!“ geantwortet. Früher. Natürlich weiß ich auch heute noch, dass es in jedem Beruf solche und solche gibt, aber – ihr mögt mir verzeihen – aktuell bin ich etwas vorbelastet und verlasse mich lieber nicht so schnell auf andere.

Handwerker X, der unter anderem für ein angesehenes Einrichtungsunternehmen arbeitet, wurde mir empfohlen und wollte sich tatsächlich sehr gerne Zeit für mein Anliegen nehmen. Aus familiären Gründen musste der Profi jedoch kurzfristig ins Ausland reisen und daher mehrere seiner Termine absagen, auch den Termin mit mir. Netterweise hatte einer seiner Bekannten, ebenfalls ein Mann vom Fach, Zeit und sollte für ihn einspringen. Zum abgesprochenen Zeitpunkt stand ich also im baldigen Zuhause und wartete auf Handwerker Y, der sich vorab die Wohn- und Kinderzimmerwände anschauen wollte. Natürlich hatte ich von den Tapeten mit anspruchsvollem Muster schon mal jeweils eine Rolle dabei. Auch an die lange Röhre mit der XXL-Vlies-Fototapete für eines der Kinderzimmer hatte ich gedacht. Der große Kofferraum im Wagen meiner Schwester erwies sich als besonders praktisch. Alles war gut organisiert, damit sich der Fachmann ein besseres Bild von seiner anstehenden Aufgabe machen konnte. Meine Kids waren bei den Großeltern und das baldige Zuhause stand extra für das Treffen offen. Alles perfekt. Nur der Handwerker fehlte. Er kam nicht.

Meine Schwester, die mir den Kontakt zum erstgenannten Unternehmer beschaffen hatte, seine Vertretung jedoch nicht kannte, griff nach dem Handy und rief den Handwerker an. Ich stand neben ihr, sah wie sie sich genervt an die Stirn fasste und sagte: „Die Adresse habe ich Ihnen, wie besprochen, per SMS geschickt.“ Pause. Der Kerl sprach, dann wieder sie: „Nein, nicht nur eine SMS! Ich habe Ihnen die Adresse mehrfach geschickt!“ Sie schüttelte den Kopf. Ich wunderte mich. Der Kerl hatte doch auch ihre Nummer und hätte sie anrufen können, falls die SMS nicht angekommen wären. Zweifellos hatte er Mist gebaut und versuchte nun alles meiner zuverlässigen Schwester in die Schuhe zu schieben. Unverschämter Mensch. Im Grunde wäre die Sache ganz einfach gewesen, doch meine Schwester wusste, wie dringend ich einen Handwerker brauchte und wie ausgebucht die meisten von ihnen waren. Sie ließ nicht locker. „Gut, wenn Sie in der Nähe sind ….“ Plötzlich wandte sie sich an mich. „Er ist auf einer Baustelle etwa 10 Minuten von hier und könnte herkommen, aber dann schaffst du es nicht mehr zu deinem anderen Termin.“ Ich überlegte und sie zeigte mir schnell die sieben SMS, die sie dem Typen tatsächlich geschickt hatte. Ein Lügner! Aber vielleicht war da ja doch etwas schiefgelaufen. „Er soll kommen, ich warte“, erwiderte ich aus purer Verzweiflung. Also griff sie abermals zum Smartphone. „Dann nenne Ich Ihnen die Adresse jetzt noch einmal.“ Nachdem sie die Straße genannt hatte, hörte ich den Kerl laut sagen: „Also das ist mir zu kompliziert. Schicken Sie mir die Adresse besser per SMS.“

Wisst ihr, ich kann sehr ungeduldig sein. Wut fuhr in meinen Arm und riss meiner Schwester das Handy aus der Hand. Dann hörte ich mich mit dem Mann sprechen.

Er wirkte seltsam lässig bis fröhlich. Ihm schien die Situation nicht neu zu sein und keineswegs unangenehm. „Also, ich könnte entweder morgen kommen oder in fünf Minuten bei Ihnen sein“, fing er an. Ob seine fünf Minuten sich wohl mit meinen deckten? Ich hatte einen geschäftlichen Termin und konnte keine längere Warterei gebrauchen. Daher schlug ich vor, sich am nächsten Abend zu treffen. Seine Antwort vereinfachte mir jegliche weitere Entscheidung immens. „Ja, hm, vielleicht.“ Ein beschwingtes, sehr melodisches VIELLEICHT, das noch lange in meinem Ohr nachhallte. Ich beendete das Gespräch zügig. „Bei mir gibt es kein Vielleicht. Es gibt ein Ja und Nein, aber ein Vielleicht akzeptiere ich nicht!“

Wegen dieses Typen hatte ich in Kauf genommen, zu einem wichtigen Meetup verspätet zu erscheinen. Alles, was ich im Vorfeld hatte organisieren müssen, um das Treffen mit ihm überhaupt auf die Reihe zu bekommen, all das hätte ich mir sparen können.

Danach erhielt ich lieb gemeinte Tipps, welche Malermeister, etc. von hier bis fast nach Bonn „super“ seien. Je beliebter der Handwerker, desto voller sein Terminplan. „Gerne, ab Oktober hätte ich Zeit“, lautete eine der Antworten. Konsequenz: Familie mobilisieren, Ärmel hochkrempeln und alle gemeinsam anpacken. Wände, Böden …. Was soll ich sagen? Wir arbeiteten schneller und besser als so mancher Profi.

Was noch nicht ist, kann ja noch werden

2017-10-17 17.12.49Selbst der harmloseste Satz kann im entsprechenden Zusammenhang an Bedeutung gewinnen.

Wie Motten vom Licht, so werden Menschenmassen von verkaufsoffenen Sonntagen angezogen. Auf mich wirkt dieser Magnet nicht, denn ich bin anders gepolt. Je näher so ein Event rückt, desto mehr stößt mich die Location ab. Ich entferne mich in eine andere Richtung. Doch ganz gleich, wie weit weg ich mich bewege, hin und wieder werden mir Sachverhalte zugetragen, die sich an derartigen Veranstaltungen ergeben. Erst kürzlich erzählte mir ein Bekannter von DEM Gespräch mit einer Kassiererin. „Das war so verrückt!“, meinte er. Als Kunde war er zum ersten (und vermutlich letzten) Mal in einem Fachgeschäft für Jägerbedarf gewesen, nur um zwei Kaffeebecher mit einem schönen Waldmotiv zu kaufen, die er zuvor in der Werbung gesehen hatte. Was man so alles für die gemütliche Herbststimmung zu Hause macht ….

„Haben Sie unsere Kundenkarte?“, fragte die Kassiererin den Kunden zuvorkommend.  – „Nein.“

„Möchten Sie gerne eine haben? Die lohnt sich bereits ab 1000 Euro Jahresumsatz bei uns!“ Ein strahlendes Lächeln erhellte ihr Gesicht. Der Kunde schluckte. Eintausend Euro! Er räusperte sich. „Nein, ich denke nicht, dass ich auf diese Summe kommen werde.“

„Ach was“, winkte die Kassiererin ab, „das geht doch ganz schnell mit der Munition.“ Der Kunde fuhr sich nervös mit der Hand übers Kinn. „Ähm, nein, das verstehen Sie falsch. Ich habe gar keine Waffe.“

Darauf die Kassiererin aufmunternd: „Was noch nicht ist, kann ja noch werden.“

 

(Mit diesem Dialog eröffne ich eine neue Kategorie im Blog: „Im Laden“. Obwohl – oder vielleicht gerade weil(?) – immer häufiger online gekauft wird, entstehen in Geschäften ganz besondere Gespräche. Mal lustig, mal ernst – Hauptsache lesenswert.)

Es geht nicht um Mitleid

Bildschirmfoto 2017-09-18 um 22.09.24Aktuell frage ich mich, ob ich in diesem Blog eine neue Kategorie anlege oder parallel ein komplett neues Blog starte. Kassiererin im Fachgeschäft, verzweifelter arbeitsloser Familienvater auf dem Parkplatz, schlecht bezahlte Akademiker, ernsthaft Erkrankte und andere Mitmenschen sprechen mich auf der Straße an oder schreiben mir und erzählen von ihren Problemen. Was soll ich mit alledem tun? Wie könnte ich helfen?

„Danke, dass Sie sich meinen Kram angehört haben.“

Mit meinen privaten Angelegenheiten möchte ich kein Sprachrohr sein, aber für die Angelegenheiten anderer kann ich gerne als solches fungieren. Denn die meisten Menschen da draußen haben kein Blog, wollen oder können keines haben und, was auch immer davon zutreffen mag, es ist in Ordnung so. Gehen wir daher von genau diesen Menschen aus, vielleicht auch von dir, liebe Leserin/lieber Leser. Bedeutet es etwa, dass eine Person ohne Blog kein Leben hat? Keine Probleme? Nichts zu erzählen? Wohl kaum. Aus unterschiedlichen Gründen werde ich immer wieder von Menschen angesprochen, die einfach nur jemanden zum Reden brauchen. Sie suchen nach einem offenen Ohr, einem Gegenüber, das sich Zeit nimmt und zuhört. Manchmal genügen fünf Minuten. „Danke, dass Sie sich meinen Kram angehört haben. Es tut gut, mal mit jemandem darüber zu sprechen“, bekam ich am Ende eines derartigen Gesprächs zu hören. Es war mitten auf dem Parkplatz eines Supermarktes und ich musste bis auf wenige „Hm“ und „Oh“ nicht viel sagen. Ein arbeitsloser Familienvater, den die Sorgen um seine Familie quälten, wollte mit mir sprechen, weil ich nicht zur Familie gehöre und er das Bedürfnis hatte, die ihn quälenden Gedanken und Schuldgefühle auszusprechen. Insofern sind das manchmal keine Gespräche, sondern Monologe. Ich diene lediglich als Zuhörer.

Dennoch oder gerade deshalb macht mich diese Situation traurig. Menschen begnügen sich mit einem fünfminütigen Gespräch oder der Tatsache, dass ihnen jemand kurz mal die volle Aufmerksamkeit schenkt und sich ihre Nöte anhört. Das ist so wenig und gleichzeitig alles. Es löst nicht ihre Probleme, aber lässt sie durchatmen. Mitunter bietet man als Zuhörer dem Gegenüber also eine Art Ventil. Wenn man sich das mal durch den Kopf gehen lässt, bedeutet es doch, dass ein Mensch ein Gegenüber benötigt, eine Resonanz braucht. Ansonsten könnten diese Menschen, also wir alle, auch einfach mit den Wänden im Wohnzimmer oder auf dem Klo sitzend reden. (Nun gut, das werden die meisten von uns auch schon getan haben.) Dies ist jedoch nicht genug.

Wenn mir jemand etwas anvertraute, dann war es jedes Mal eine Angelegenheit, mit der die betreffende Person nicht allein dasteht, sich aber alleine und teilweise auch verlassen vorkommt. Ein Problem, das viele andere Menschen teilen, aber entweder ungern darüber sprechen oder sich von der Öffentlichkeit (Medien, Gesellschaft, Politik) nicht ernstgenommen fühlen. Entsetzlich. Traurig.

Sie haben kein Blog, aber ich. Sie sprechen mit mir und ich schreibe es auf. Dieser Gedanke geht mir seit Jahren durch den Kopf, wird aber zunehmend konkreter. Die Kassiererin von neulich, die Angst vor dem trüben Herbst hat, möchte ich genauso zu Wort kommen lassen wie andere Personen mit ihren Gedanken. Nicht wie in einer Zeitung und ohne Bilderstory mit unzutreffender, peinlicher Überschrift darüber. Es geht nicht um Mitleid, sondern um Aufmerksamkeit. Keine Meinungsmache. Nur Menschlichkeit.

Marcus aus der 10.1

Heute habe ich erfahren, dass einer meiner liebsten Klassenkameraden gestorben ist.

Eigentlich müsste ich jetzt weiter meine Umzugskartons packen, stattdessen sitze ich auf dem Sofa, das Notebook auf den Knien. Schlucken fällt mir schwer und die Zeilen verschwimmen.

In den letzten Jahren habe ich mehrfach darüber nachgedacht, Marcus zu interviewen und das Gespräch hier zu bloggen. Gedacht, aber nicht getan. Jetzt bereue ich es. Er hätte bestimmt mitgemacht, denn er wollte anderen etwas auf den Weg geben, uns allen zeigen, was wirklich wichtig ist im Leben. Deshalb möchte ich Euch von Marcus erzählen.

Als Teenager war Marcus extrem schüchtern. Sehr zurückhaltend, aber lächelnd. Ein langer, schlanker, blonder und sehr schweigsamer Kerl, dessen Mund meist ein Grinsen umspielte.

Einige Jahre nach dem Schulabschluss, betrat ich die Königsbacher Brauerei, um meine alten Schulfreunde aus der 10.1 zu treffen. Als ich auf den für uns reservierten Tisch zuging, saß dort ein kahlköpfiger Mann. Sein Alter ließ sich auf die Entfernung schwer einschätzen, doch ich war mir sicher, ihn nicht zu kennen. Er schien anderer Meinung zu sein, denn beim Anblick von meiner Freundin und mir, sprang er auf und winkte uns zu. Ich wunderte mich. Wer konnte das sein? Dann lächelte er.

Dieses Lächeln, das konnte nur Marcus sein. Was war geschehen? Wir begrüßten einander und setzen uns an den Tisch. Marcus sah nicht aus wie Marcus und verhielt sich auch nicht so. Der verschlossene Junge von damals saß als extrovertierter, vor Energie sprühender Mann zwischen uns. Er strahlte pure Lebensfreude aus, erzählte Witze – und er erzählte von seinem Leben. Nie zuvor hatten wir ihn so gesehen. Redselig und locker. Marcus hatte sich verändert. Er lächelte nicht nur, sondern lachte und ging aus sich hinaus. Das fiel uns allen auf. Wir sprachen offen darüber. „Naja, wenn man mit Mitte zwanzig bereits geschieden ist und einen Gehirntumor hatte ….“, begann er.

Diesmal waren wir diejenigen, die still dasaßen und zuhörten. Marcus hatte viel durchgemacht und scheinbar an Lebensenergie gewonnen. Es erschien nahezu paradox. Ich bewunderte ihn. „Die Ärzte sagten mir damals, ich hätte etwa 8 % Überlebenschancen“, erzählte er lachend und ich musste an das letzte MRT von meinem Schädel denken und wie groß meine Angst vor dem Ergebnis gewesen war. Ich hatte Glück gehabt und mir vorgenommen, auf die Bremse zu treten, mein Leben ein wenig umzukrempeln. Nichts davon hielt ich ein. Alte Verhaltensmuster sind schwer abzulegen. Doch da saß nun jemand neben mir, der all das Schreckliche tatsächlich am eigenen Leib erfahren hatte. OP, Chemo – alles. Und in all dem Schlimmen hatte Marcus seine zweite Ehefrau kennengelernt, von der er uns voller Freude erzählte. „Wisst ihr, ich hatte Krebs und ihr Sohn hatte Krebs, da sind wir uns in der Klinik begegnet. Und glaubt mir, man kann von Kindern so vieles lernen!“ Er lächelte von einem Ohr zum anderen. „Die Kinder machen ´ne Chemo durch, haben mit Nebenwirkungen zu kämpfen, aber düsen voller Spaß und Inbrunst auf den Bobby-Cars durch die Gänge!“ Er sprach beschwingt, berichtete Ernsthaftes, strahlte aber permanent pure Lebensfreude aus. Ich weiß, dass ich nicht die einzige war, die ihn am liebsten umarmt hätte.

Ein oder zwei Jahre später trafen wir uns wieder. Klassentreffen Nr. 2. An dem Abend saß ich nicht so lange mit am Tisch, sondern wechselte den Raum und leistete den Rauchern Gesellschaft. Die langweiligen Gespräche über familiäre Details, Angebereien usw. hatten mich (Nichtraucherin) in die Raucherecke verjagt. Dort wurde ehrlicher über das Leben gesprochen. Umso erfreuter war ich, als mich Marcus, mit dem ich nicht viel hatte sprechen können, fragte, ob ich ihn nach Hause fahren könne. Ich musste ohnehin in diese Richtung, das passte. Im Auto unterhielten wir uns über das Leben und er erklärte, dass Menschen sich viel zu sehr auf Unwichtigkeiten konzentrieren, Materielles zum Beispiel. „Sich Zeit nehmen, für einander da sein – das ist wichtig“, sagte er. Am liebsten hätte er sich jedes Jahr mit der alten Klasse getroffen. Auch wenn nicht viele kamen, lohnte es sich seiner Ansicht nach. Einander wiedersehen, miteinander sprechen – er wusste das zu schätzen.

Marcus machte sich viele Gedanken um gesellschaftliche Verantwortung und alles Schlimme, das sich die Menschheit selbst antut. Er wollte anderen helfen, manche wachrütteln oder einfach informieren. Das zeigten auch seine Facebook-Postings. Vorgestern war er dort noch aktiv, gestern postete jemand anderer eine Kerze an seine Pinnwand und heute erfuhr ich von seinem Tod.

Wir sind mehrere Leute aus der alten Klasse, die jetzt an dich denken und es nicht fassen können, Marcus. Es tut mir leid, dass es keine weiteren Klassentreffen gegeben hat. Wir haben es leider nicht auf die Reihe bekommen. Vermutlich würde dir jetzt ein lustiger Spruch einfallen, über den wir alle gemeinsam lachen würden. Wir werden dich nicht vergessen.

Regenwettergedanken

RegenwetterHeute wachte ich ungewohnt früh auf. Es war noch stockfinster, doch laute Regentropfen erinnerten an das aktive Leben auf der anderen Seite der Fensterscheibe. Während in der Geborgenheit des Raumes alles schlief, erklang draußen eine Melodie, wie es sie schon vor Jahrhunderten und Jahrtausenden gegeben hat. Regen, zunächst leicht, dann hartnäckig.

Wer früh aufwacht, hat mehr Zeit. Es ist, als bekäme man einige Stunden geschenkt. Zeit, die nicht in die 24 Stunden des Tages gerechnet wird. Zeit, die lose im Raum hängt. Man muss nur zugreifen.

So lag ich da und sah zu, wie es heller wurde. Kein Druck, doch noch etwas mehr Schlaf abzubekommen oder an konkrete Dinge zu denken, die heute unbedingt erledigt werden sollten. Einfach nur liegen, entspannen und die Gedanken baumeln lassen. Ist auch mal schön.

Als das erste Tageslicht ins Zimmer fiel, sah ich Legosteine. Fast auf dem Boden liegend, hatte ich sie perfekt im Blick. Grün, gelb, rot und blau standen und lagen sie da als Figuren oder lose verstreut. Manche nennen das Kunst. Sie heißen Kinder und gehören der Gattung an, die ungern aufräumt. „Wir sind Künstler“, behaupten sie.

Nun lagen die Kunstwerke vor mir, bunt im Morgenlicht. Nichts hätte schöner sein können. In den Betten neben mir schliefen meine Kinder wohlig und froh. Das Kind, das in der Nacht Bauchweh gehabt und meine Nähe gebraucht hatte, fühlte sich sichtbar besser. Ich hörte dem Regen zu, genoss die Zeit. Es wurde hell.

Auch jetzt ist es noch früh. Manche fahren bereits zur Arbeit, andere frühstücken vielleicht. Ich sitze auf dem Sofa, trinke Kaffee und höre zu wie allmählich immer mehr Autos die Straße entlang fahren, wie die Regentropfen auf Fensterbretter und Garagendächer fallen, laut in Pfützen platschen.

Guten Morgen.

Verrückter Samstag

22. Juli 2017Stell Dir vor, Du wachst auf, gehts raus und alles läuft irgendwie seltsam. So war mein Samstag. Ein Tag voller Müll, Wiederholungen, einer eigensinnigen Kasse und einem Wunder.

Am frühen Morgen … nein … Später als sonst aufgewacht, eine Kleinigkeit gefrühstückt und samt der Familie ins Auto gestiegen, um Sachen zu erledigen…. Ja, damit fing alles an. Aktuell haben wir aufgrund von Renovierungsvorbereitungen samstags mehr zu tun, als der Tag Stunden hat, daher überlegten wir uns genau, in welcher Reihenfolge wir die Dinge erledigen würden. Da wir unter anderem ein Beratungsgespräch bei der Telekom vor uns hatten, lautete unser Ziel: Möglichst viel möglichst schnell hinter uns bringen und dann das Wochenende genießen. Yay!

Papiermania

Nun war das mit dem „Yay!“ gar nicht einfach zu erreichen. Denn wir scheiterten bereits an Punkt A unserer Tagesordnung. Auf dem Weg zur Telekom wollten wir „nur mal schnell“ das Altpapier entsorgen. Zu unserer großen Überraschung waren die wenige Tage zuvor geleerten Container voll. Aus den Öffnungen standen Kartons und Zeitungen hervor. Doch nicht nur das. Auch um die ohnehin großen Container stapelten sich Altpapierberge. Eine regelrechte Müllhalde war das. Woher kam das alles? Warum hatten die Leute derart viel Papier? Leben wir nicht in digitalen Zeiten? Ich meine, Klopapier war das nicht. Müssten wir uns nicht mal Gedanken darüber machen, ob derartige Altpapierberge nicht eventuell vermeidbar sein könnten? Nur nebenbei: Wir fuhren in einen anderen Stadtteil und zwar in eine Gegend, in der es mehr Geschäfte als Wohnungen gibt. Dort stellten wir jedoch die gleiche Situation fest. Kurz: Schon zwei Tage nach der Leerung, sind überall sämtliche Behälter voll. Dabei kann (fast) jeder sein Altpapier am Abholtag vor dem Haus deponieren, damit es abgeholt wird. Wahnsinn.

Alles Magenta oder was?

Nach der Müll-Manie statteten wir der Telekom einen Besuch ab und ließen uns über einen möglichen Festnetzanschluss informieren. Mit unserem aktuellen Anbieter sind wir nicht zufrieden. Es ist folglich die Suche nach dem kleineren Übel, Ihr versteht mich sicher. Überraschung: Der Mitarbeiter war sehr freundlich und es gibt nichts zu erzählen. Dennoch benötigte ich nach dem Gespräch einen Koffeinschub.

Verwirrung in der Bäckerei

Daher ging es ab ins Bäckerei-Café. (Nein, an dieser Stelle kann ich wirklich nichts Negatives über die Telekom-Menschen berichten.) Also weiter zur Szene beim Bäcker: Eine junge, sympathische Bäckereifachverkäuferin fragte, was sie uns reichen dürfe. Jedes Familienmitglied nannte seinen Wunsch. Zweimal. Mindestens. Denn die Mitarbeiterin wollte auf Nummer sicher gehen und fragte JEDES MAL nach, was es denn bitte NOCHMAL sei. „Ein Stück Zebra-Kirschkuchen“, sagte mein Nachwuchs. Die Dame hinter der Theke kniff die Augen zusammen. „Entschuldigung?“„Den Zebra-Kirschkuchen, bitte.“„Ach, zehn Käseküchenstücke!“, meinte die freundliche Frau schließlich und sah uns an, als hätten wir nicht mehr alle Tassen im Schrank. Doch unsere weit aufgerissenen Augen gaben ihr wohl zu denken. „Nicht, oder?“„Nein, zehn Stück wären etwas viel für uns im Augenblick“, erklärte ich lächelnd. Niemand von uns sprach leise oder undeutlich, daher war die Situation ungewöhnlich. „Ich hatte mich auch schon gewundert“, gab sie immerhin zu. „Mein Kind möchte gerne ein Stück Zebra-Kirschkuchen haben“, erklärte ich. Erstaunen huschte über ihr Gesicht: „Ach, den Kuchen haben wir? So heißt er, ja, stimmt, jetzt weiß ich es wieder.“ Irgendwann war ich mit meiner Bestellung dran. „Einen Cappuccino, bitte“, sagte ich daher. „Einen mittleren..?“, fragte sie. Ich freute mich in Gedanken, dass ich mich nicht wiederholen musste und revidiere lediglich: „Nein, ein kleiner genügt mir, danke.“ Daraufhin griff sie zwar zur kleinen Tasse, ließ aber statt der italienischen Variante, normalen Kaffee einlaufen. Nur nebenbei: Einfacher Kaffee wird in dieser Bäckerei gar nicht in klein angeboten, sondern geht erst mit mittelgroß los. Hm. Eigentlich war mir das nicht wichtig, doch eines der Kinder stellte an der Kasse fest: „Das sieht nicht wie ein Cappuccino aus“. Noch bevor ich „Ach, lassen Sie, ist schon in Ordnung“ sagen konnte, lief die nette Frau zum Kaffeeautomaten zurück und brachte mir das gewünschte Getränk. Eine wirklich sehr freundliche und nette Person, die vermutlich auch bloß einen verrückten Samstag hatte.

Seltsame Kasse

Gestärkt ging es zum Supermarkt weiter. Zu Fuß. Das sollte zwischendurch mal erwähnt werden. Wir hatten keinen Großeinkauf nötig, sondern wollten nur einige Kleinigkeiten für den anstehenden Spielabend besorgen. Opa, Papa und Sohn hatten sich verabredet und sollten es gemütlich plus lecker haben. Mit Trauben, Käse, Brezeln und anderen Sachen standen wir schließlich an der Kasse und wunderten uns nicht schlecht, als uns die Kassiererin die zu zahlende Summe nannte. Auch hier schien unser verdutzter Gesichtsausdruck zu fruchten, denn die nette Frau schob ihre Brille zurecht und sagte: „Da ist was komisch!“ Na, immerhin. Sie teilte unseren Eindruck also. Konzentriert betrachtete sie den Kassenbon, der noch im Gerät steckte. „Die Brezel, die sie da in der Tüte haben …. das sind nicht wirklich 74, oder?“ Meine Augenbrauen fuhren zwei Stockwerke höher. „74 Brezel? Nein, es sind sieben.“„Dachte ich´s mir. Daran liegt es. Wenn ich die abziehe, muss es passen. Ja, das waren die Brezel. Wie seltsam, dass es 74 waren.“ Hm, nein, das waren nie 74, aber egal. Vertippen kann sich jeder, überhaupt kein Problem. Wir verließen den Laden, blickten am Kofferraum aber doch noch mal auf den Kassenbon, weil uns die Summe weiterhin etwas seltsam vorkam. Kein Wunder, den Wein hatte die Kassiererin doppelt berechnet. Also zurück ins Geschäft…. Nicht schlimm, vermutlich hatte die ansonsten wirklich nette Frau bloß einen verrückten Samstag.

Das Wunder im Baumarkt

Ihr denkt, das alles sei überhaupt nicht seltsam, verrückt oder sonst irgendwie nennenswert? Dann schocke ich Euch jetzt. Denn nun kommt der Hammer. Auf dem Heimweg hatten wir noch kurz etwas im Baumarkt zu erledigen. Und haltet Euch fest: Ein Baumarkt-Mitarbeiter KAM VON SICH AUS auf uns zu und FRAGTE UNS, OB ER UNS BERATEN dürfe! Zugegeben, er war ein Azubi, aber hey! (Obwohl ich mich natürlich im Nachhinein frage, warum – und WIE? – sie dieses Engagement aus den Azubis rauskriegen….) Der nette junge Mann hatte AHNUNG von dem, was er da sagte. Er kannte sich mit Fußbodenbelägen jeglicher Art aus und beantwortete jede unserer Fragen kompetent. Fassungslos und geradezu euphorisch bedankten wir uns für das ungewöhnliche Gespräch. „Vielen Dank, dass Sie uns so gut beraten haben.“ Ich fügte noch schnell „Einen Moment, ich muss mir Ihren Namen notieren“ hinzu. Der engagierte Mann nickte erfreut. „Habe ich gerne gemacht. Beratung macht Spaß und ist mein Job, aber ich weiß auch, dass das leider selten vorkommt. Übrigens bleibe ich hier noch für etwa fünf Jahre.“ Ihr Menschen da draußen, es geschehen noch Wunder! Es gibt Baumärkte, deren Fachpersonal a) etwas vom Fach versteht UND b) das Fachwissen nicht nur für sich behält, sondern große Freude daran hat, es mit den Kunden zu teilen.

Ihr werdet es mir nicht glauben, aber wenige Minuten später begegnete mir der nette Baumarktmitarbeiter in einer anderen Abteilung wieder. Er ging auf ein Paar mit Teenager-Sohn zu und formulierte die Frage, die eigentlich (da bin ich mir sicher!) auf der Tabu-Liste sämtlicher Baumärkte steht: „Darf ich Sie beraten?“

Na, war das etwa kein verrückter Samstag?

12 Dinge, an denen du merkst, dass du ein Social-Media-Freak bist

Achtung, die folgenden Punkte können als Warnhinweise dienen. Allerdings darf man sie auch als Anleitung verwenden, falls man schon immer mal ein Freak sein wollte. So oder so: Lesen bildet.Untitled design

Woran erkennst du also, dass du ein Social-Media-Freak bist?

  1. Du hast mehr Social-Media-Accounts als Socken.
  2. Auf der Straße sprichst du Leute mit ihren Twitter-Namen an. (Passiert mir ständig. Ist aber nicht schlimm, da diejenigen selbst *räusper* Freaks sind.)
  3. Du weißt schon vor den Betreffenden, dass ein Interview mit ihnen im Online-Magazin erschienen ist.
  4. Und den Artikel teilst du SOFORT in mehreren Netzwerken. Parallel.
  5. Du stehst mitten in der Nacht auf, um deinen Status zu ändern.
  6. Beim Aufwachen willst du nach dem Smartphone greifen, hälst es aber bereits in der Hand.
  7. Du weißt vor Facebook und Twitter, was trenden wird.
  8. Du suchst in der Tageszeitung die Share-Buttons.
  9. WTF ist eine Tageszeitung!?
  10. Man lädt dich zu Events ein, nur damit du sie online kommentierst.
  11. Mit Barcamp-Stickern kannst du dein Büro tapezieren.
  12. Dein Twitter-Name steht in deinem Personalausweis.

Von Zigarettenwerbung zur Menschlichkeit in Blogs und Barrierefreiheit

mit Blogs für mehr MenschlichkeitWenn ein Werbespot Jahrzehnte nach seiner Erscheinung zum Auslöser einer Gedankenkette wird, kann er nicht schlecht sein. Begegnet war mir die Zigarettenwerbung mal früh am Morgen, als ich bei Facebook vorbeischaute. Gepostet hatte ihn ein deutscher Journalist, der in den USA lebt und arbeitet. Das kurze Video erinnerte mich an eine Szene, die ich am Abend zuvor an der Kasse im Discounter miterlebt hatte. Sofort schlussfolgerte ich, dass sich die Zeiten sehr verändert haben. Heute wäre ein derartiger Werbespot undenkbar.

Am besten schaut Ihr Euch zunächst den Clip aus der „guten alten Zeit“ an.

Gelungene Werbung, finde ich. Da könnte man glatt zur Kippe greifen. Allerdings nur theoretisch, denn heute sieht vieles anders aus. Allein schon die Verpackung! Kürzlich, an einem der besonders heißen Tage, sprang ich auf dem Heimweg schnell beim Discounter vorbei, um Eis zu kaufen. An der Kasse bat ein älterer, leicht angeheiterter Kunde den jungen Kassierer:

„Geben Sie mir doch bitte ein Päckchen Zigaretten.“

Darauf dieser: „Welche wollen Sie denn?“

„Öhm, weiß ich nicht, die sind für ´nen Freund. Ich soll ihm welche mitbringen.“

Der Kassierer kratzte sich am Kinn. „Starke oder leichte?“

„Ach, geben Sie mir einfach irgendein Päckchen“, winkte der Kunde ab.

Keine Ahnung, welche Marke der Verkäufer auf die Kasse legte. Ich sah nur ein großes ekelhaftes Bild darauf. Der alte Mann scheinbar auch, denn er schaute leicht angewidert auf die Ware und sagte plötzlich:

„Wissen Sie was, ich kaufe ihm keine Zigaretten. Soll er doch selber kommen, wenn er das Zeug will.“

Wirken die Abschreckbilder also tatsächlich …. abschreckend? Ich befasse mich für gewöhnlich nicht mit dieser Thematik und mag keine Zigaretten, aber der Geruch bestimmter Zigarettenmarken ist für mich das Tor in eine wundervolle Vergangenheit voller Abenteuer in der Natur, aufgeschürfter Knie, wenig befahrener Straßen und mit einer ordentlichen Portion Geborgenheit. Die 70er und 80er, Ihr wisst schon. Trotzdem habe ich nie selbst geraucht. Keine einzige Zigarette.

Und heute?

Nun könnte dieser Text zu Ende sein und Ihr würdet Euch fragen, warum ich darüber blogge. Vielleicht tue ich es deshalb, weil ich wenige Minuten nach Betrachtung des obigen Werbespots auf dem Blogbeitrag eines Kinderarztes landete, dessen Texte ich gerne ab und an lese. Im betreffenden Blogpost berichtet er von der MedMen2017, einer Konferenz für „Medizinjournalismus“. Den Namen finde ich cool, die Aufmachung ebenfalls. Starke Idee, das muss ich den Veranstaltern lassen.

Und wer nahm daran teil? „Irgendwie die Industrie, irgendwie Journalisten, irgendwie sonstwie Interessierte und irgendwie dann auch „wir“, die Blogger“, schreibt der Doc. Wow, spannende Teilnehmer, meint Ihr nicht auch? Wirtschaft, Presse und Mediziner. Die Journalisten allerdings vermutlich nicht so sehr zur Berichterstattung, sondern eher als Teil des Ganzen, richtig? In Docs Worten ausgedrückt: „Das ganze diente wohl der Zusammenarbeit, dem Kennenlernen und Austauschen der medialen Player rund um den Medizinerzirkus.“

Wenn ich von Vertretern aus „Medizin“ und „Industrie“ oder „Wirtschaft“ in einem Satz lese, bekomme ich leichte Magenschmerzen. Dass sich unser Gesundheitswesen vom Menschen wegbewegt (hat) und eine Wirtschaftsmaschinerie mit überbordender Bürokratie darstellt, wissen wir alle. Bezogen auf das Internet, könnte ich daher an dieser Stelle von Blogger Relations schreiben, auf die tollen und weniger schönen Möglichkeiten hinweisen, die das Netz bietet …. Aber halten wir einfach mal fest: Früher wurden Ärzte gefragt, welche Zigaretten sie rauchen – heute können sie es immerhin selbst bloggen. Was sie mit ihrem Blog anfangen, liegt nämlich in ihrer Hand.

Mit Blogs für mehr Menschlichkeit

Heute können Mediziner ein eigenes Blog starten und uns Normalsterblichen aus allererster Hand über Neues aus ihrem Fachbereich informieren, aufklären, uns Ängste nehmen und durch einen Blick hinter die Kulissen der Praxis oder Klinikwelt uns und sich selbst den Spiegel vorhalten. Solche Blogs können großartig und damit auch Beispiele dafür sein, welche Vorteile das Internet bietet. „Mit Blogs für mehr Menschlichkeit!“, würde ich manchmal gerne rufen.

Denn auch selbst vom Schicksal Getroffene können in die Tasten hauen, ein Podcast starten oder auf anderen digitalen Wegen ihre Erfahrungen kundtun. Wer keine Beeinträchtigungen hat, die ihn im turbulenten Alltag einer Stadt einschränken, ihm das Leben unnötig erschweren, der kann nicht wissen wie das ist. Wir leben in Zeiten unfassbarer Möglichkeiten und könnten uns endlich das alltägliche (und berufliche) Leben erleichtern, tun es jedoch kaum. Wer von Euch hat schon mal in seinem Wohnort darauf geachtet, wie es um Barrierefreiheit steht? Ich nicht. Erst als ich den dafür Beauftragten unserer Stadt zufällig kennenlernte, wies er mich darauf hin, wie viel bei uns noch gemacht werden müsste. Dann traf ich eine Bekannte, die gerade auf Krücken ging. Auch sie hatte viel zu berichten. Und ja, erst als ein Mann mit geschwächtem Gehör in einem meiner Vorträge saß, wurde ich mit damit konfrontiert, dass man auch bei Meetups an sinnesgeschwächte Teilnehmer denken sollte. Nicht zuletzt deshalb bin ich für Offenheit in der digitalen Welt dankbar. Jedenfalls in diesem Zusammenhang.

Denken wir mal an …. früher. Tabuthemen, die Angst und Einsamkeit schürten, wurden in der Vergangenheit auch nur durch das Brechen der Schweigsamkeit überwunden. Was ich damit meine? Beispielsweise, dass früher behinderte Familienmitglieder in Häusern versteckt wurden, weil man kein Aufsehen erregen wollte. Beispielsweise, dass man sich nicht traute laut von der Krebserkrankung eines geliebten Menschen zu sprechen, obwohl einem dieses Schicksal geradezu den Atem raubte. Alles mussten die Betroffenen und ihre Angehörigen mit sich selbst ausmachen. Nicht überall und nicht immer, aber häufig. Wenn durch Blogs oder humanen Medizinjournalismus Menschen – in welcher Form auch immer – geholfen werden kann, dann ist es gut.

In der Realität sieht die Sache leider nicht ganz so rosig aus. Zu viele selbsternannte Experten wollen uns – z.B. potenziellen Patienten, Eltern, Angehörigen, etc. – Ratschläge geben, die mehr schaden als nützen. Zu viele lässt Geld ihr Gewissen und ihre Verantwortung vergessen. Doch auf all das mag ich jetzt nicht eingehen. Viel lieber denke ich an dieser Stelle an all die ehrlichen Blogs und positiven Beispiele dafür, wie (Fach)Leute ihr Wissen und ihre Erfahrung mit ihrer dankbaren und durchaus kritischen (Blog)Leserschaft teilen. Danke.

Nachtrag am 29.06.17:

Der Blogpost zum Anhören.