Wir feige Gesellschaft

Glaubwürdigkeit - unsere feige GesellschaftDer Ruin unserer Gesellschaft schreitet von oben, unten, rechts und links voran. Ihr dürft die Worte variabel füllen und kommt stets zum aussagestarken Ergebnis. Beispiel: oben = Politik und unten = Wähler, oben = Wirtschaft und unten = Arbeitnehmer, oben = Erwachsene und unten = Kinder und Jugendliche. Für rechts und links funktioniert das genauso. Niemand kommt am anderen vorbei.

Wo gibt es ein Miteinander und wo ein Gegeneinander? Setzte man anstelle der Begriffe, Variablen ein, so ließen sich mathematische Formeln entwickeln, doch stünde dem stets Variable E im Weg: Emotionen. Wut, Hass, Angst, Abhängigkeit, Naivität – das sind nur einige wenige Beispiele für das, was hinter E stehen kann. Gefühle lassen sich nicht als Konstante in eine Rechnung einbauen und sind auch als Variable schwierig zu berücksichtigen. Sie entscheiden sogar darüber, wo oben und unten, rechts oder links ist. Und Gefühle sind exakt das, was zunehmend vergessen wird. In Politik, Gesellschaft, Schule, am Arbeitsplatz und überall, wo es um Zwischenmenschliches geht, wo Kommunikation stattfindet beziehungsweise stattfinden sollte und Entscheidungen auch für andere Menschen getroffen werden, fehlt es an Empathie, Gemeinschaftssinn und vor allem an Verantwortung.

Warum ich das schreibe? Viele Dinge regen mich auf – Beobachtungen in so unterschiedlichen Bereichen, dass es unmöglich ist, sie alle in einen Text zu packen. Und ich stelle fest, dass ich damit nicht alleine bin. Nicht wenige der Probleme, die mir andere anvertrauen, habe ich selbst auch, hatte sie vor einigen Jahren oder muss befürchten, dass sie noch auf mich zukommen werden. Im Geiste suche ich nach Beispielen dafür, dass es im Laufe der Jahre besser wird für wen und was auch immer.

Von Verantwortung und Vertrauen zur Glaubwürdigkeit

Verantwortung und Vertrauen sind die Kernpunkte in so ziemlich allem. Sie sind häufig der fehlende Teil eines Fundaments. Denn wer möchte heute noch konkret Verantwortung übernehmen? Verantwortung für ein Projekt, ein Team, ein Unternehmen, etc.? Und wer bringt tatsächlich genug Vertrauen seinen Mitarbeitern, dem Kollegium oder der Führung gegenüber auf? Daran scheint es auf allen Ebenen zu mangeln. Sogar als Konsumenten fragen wir uns, ob der Hersteller vertrauenswürdig ist oder wir nicht lieber das Produkt einer anderen Marke kaufen sollten. Ständig werden wir auf Pfusch, Manipulation, Verblendung und alles Schlechte hingewiesen. Fairtrade ist nicht immer fair, Abgaswerte werden gefälscht, Bio ist nicht immer bio, die angeblich flache Hierarchie am Arbeitsplatz ist nur nach außen flach, innovative Arbeitsmodelle stehen nur auf Papier und so weiter.

Privat und beruflich sind wir alle im Grunde mehr oder weniger überfordert, wenn es um die Kompetenz geht, möglichst gut entscheiden zu können, wem man vertrauen kann. Denn jeder darf sich irren, aber wer steht wirklich dazu? Wer steht zu seiner Meinung, den eigenen Fehlern, informiert, kümmert sich und übernimmt Verantwortung? Vermutlich nicht viele, aber diejenigen, die es tun, haben etwas verstanden: Glaubwürdigkeit ist essentiell.

Trend zur Empathie?

Wer glaubwürdig ist, dem lässt sich vertrauen. Dann kauft man seine Produkte oder Dienstleistungen, empfiehlt ihn weiter, wählt ihn als Politiker, mag ihn als Kollegen und überhaupt. Setzt das in einen Bereich Eurer Wahl ein – es gilt immer und überall. Vertrauen hängt mit Verantwortung(sbereitschaft) und Glaubwürdigkeit zusammen. Ich wünschte, wir hätten überall mehr davon. Doch das erfordert Mut, Empathie und Energie.

Verantwortung kann man nur dann ernsthaft (und im positiven Sinne) übernehmen, wenn man dazu bereit ist, sich in andere hineinzuversetzen, wirklich zuzuhören und auch andere Meinungen zuzulassen. Wichtig ist ebenfalls, am eigenen Horizont zu arbeiten und sich nicht beispielsweise hinter Klischees zu verstecken. Empathie spielt dabei eine entscheidende Rolle. Bitte nicht falsch verstehen, man muss nicht sofort weinen, wenn es dem Gegenüber schlecht geht – das würde niemandem helfen. Doch ich bin davon überzeugt, dass künftig zum Beispiel Arbeitgeber, Manager, etc., die nur profitorientiert handeln, an Attraktivität verlieren werden. Menschlichkeit ist in Zeiten von Umbrüchen – wie jetzt der digitalen Transformation – wichtiger denn je. Solange wir alle angstgesteuert agieren, unter Stress und permanenter Sorge stehen, bleibt wenig Platz für Empathie, ernsthafte Gespräche und sinnvolles, zukunftsorientiertes Handeln. Ist nicht immer häufiger der Satz „Angst ist kein guter Berater“ zu lesen? Furcht hat auch mit fehlendem Vertrauen zu tun. Dafür hat jeder von uns gewiss genug Gründe – auch gesellschaftlich und politisch betrachtet. Was in der Welt geschieht, macht nicht gerade mutig und zuversichtlich.

Wenn man sich bewusst macht, dass das meiste von dem, was falsch läuft, von uns Menschen gemacht ist, dann müsste man es – rein theoretisch – auch hinbekommen, dass sich daran etwas ändert. Im Kleinen lässt sich das privat und am Arbeitsplatz tun. Ich bin für mehr Empathie – nicht nur, weil es aktuell als Soft Skill in der Berufswelt an Bedeutung gewinnt. Ja, das ist mal ein Trend, der Sinn macht. Buzzwords, die mir nicht auf die Nerven gehen: Authentizität, Empathie, Glaubwürdigkeit. Die Frage ist nur, was man daraus tatsächlich macht und ob es wirklich von so vielen gewollt ist. Doch das ist ein anderes Thema.

 

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