Stell dir vor, es ist Freibad und keiner geht hin

Ein seltsamer Titel für ein ungewöhnliches Erlebnis. Kaum dass die Sommerferien beginnen, überlegt man sich als Familie, was man gemeinsam unternehmen könnte und landet früher oder später im Schwimmbad. Bei gutem Wetter gerne im Freibad. Am besten in einer besonders schön angelegten Poollandschaft. Meist kommen dummerweise viele Familien auf diese geniale Idee, so dass man sich auf dem Badelacken oder der Picknickdecke schließlich fühlt, wie eine Sardine in der Dose. Eigentlich.

Freibad

Stell Dir vor, Du kommst ins Freibad und niemand ist da. Im Sommer. Bei über 25° Celsius. So stand ich kürzlich samt Mann und Kids an der Kasse eines Freizeitbades und staunte. Ein Blick durch die Fensterscheibe nach draußen verriet uns, dass auf der Wiese kein Mensch zu sehen war und in einem der Becken lediglich zwei Personen plantschten. Durch eine Glaswand konnten wir ins Hallenbad schauen und verblüfft feststellen, dass auch dort lediglich eine Handvoll Leute badete. Sommerferien in einem Touristenort. Mit einer Jugendherberge nebenan und einem Freizeitpark quasi um die Ecke. Was war bloß los? Zugegeben, die Wettervorhersage war für diesen Tag etwas schwammig: Regenwahrscheinlichkeit 40 %, gelegentlich eventuell kurzes und leichtes Gewitter. Doch laut Smartphone war das Gewitter bereits vorbeigezogen und die Temperaturen sprachen ebenfalls für Wasserspaß im Freien. Aller Menschenleere zum Trotz entschieden wir uns daher für die Outdoor-Variante, kauften das günstige Familienticket und begaben uns nach draußen. Das Freibad gehörte uns. Vom Baby- bis zum Schwimmerbecken. Die ganze Wiese samt großen Sonnenschirmen, Spielplatz und mehreren Beachvolleyballplätzen. Alles. Wir hatten sogar eine Wasserrutsche sowie einen Bademeister nur für uns allein. Na gut, der war nicht nur für uns, sondern auch für die vier anderen Personen da. Eine Oma mit Enkelin spielten im Wasser und zwei große Teenager lagen auf einem Hügel im Gras.

Als Familie konnten wir uns herrlich ausbreiten. Nie zuvor hatten wir derart viel Platz für Ballspiele im Wasser gehabt. Immerzu mussten wir laut lachen, so großartig war das. Wo wir uns sonst stets zwischen den Leuten Platz erkämpfen mussten, um einen Ball überhaupt werfen zu können, konnten wir diesmal machen, was wir wollten. Und während wir draußen die große Freiheit erlebten, sahen wir durch eine Scheibe, wie sich nebenan im Hallenbad die Räume füllten. Hach, bei uns schien die Sonne, das Wasser spritzte und das grandiose Bergpanorama toppte noch den Genuss. Wann hat man die Wasserrutsche für sich allein? Wann sonst kann man in Ruhe seine Bahnen schwimmen? Im Freibad, im Sommer, in den Sommerferien, bei gutem Wetter? Ihr habt recht, das kann es gar nicht geben. Jedenfalls nicht dauerhaft. Nach etwa einer Stunde änderte sich die Sachlage auf Knopfdruck. Wir hörten sie kommen, bevor wir sie sahen. Ihre Stimmen hallten durchs Moseltal.

80 bis 100 Kinder und Jugendliche stürmten auf einmal das Freibadgelände. Als Kette hielten sich jeweils acht von ihnen aneinander und rutschten so ins Spielbecken. Andere sprangen direkt ins Wasser und gaben lautstark ihre Freude kund. Knapp 20 von ihnen liefen vor Freude brüllend direkt zum Schwimmerbecken und etwa 30 versammelten sich an der Sprunganlage. Die Lautstärke der Gruppe lässt sich nicht in Worte fassen, das Chaos ebenso wenig. Trotz eines plötzlich kühlen Windes und zwischendurch unangenehm bewölkten Himmels, verhielt sich die Menschenmenge, als feiere man eine wilde Party auf einer tropischen Insel. Während uns etwas kalt wurde, jauchzten die Teens und Kids vor Freude. Schnell stand fest: das konnten keine Deutschen sein. Richtig, es waren Briten. So frei sie sich untereinander verhielten, so vorsichtig gingen sie mit uns Außenstehenden um. Sie ließen uns weiterhin viel Platz für Ballspiele oder was auch immer wir gerade tun wollten. Wie laut sie auch sein mochten, so fühlten wir uns nicht gestört. Allerdings wusste der Bademeister zwischendurch nicht weiter, denn zu seinem Leidwesen war anfangs keine einzige Aufsichtsperson in Sicht.

Nach etwa drei Stunden legten sich die Mitglieder dieser Reisegruppe auf ihre Handtücher und ließen sich lange von der Sonne trocknen. Danach gingen sie Richtung Ausgang. Auch wir packten unsere Sachen, da es immer kälter wurde. An den Umkleiden trafen wir die Gruppe wieder und sahen sie schließen in zwei riesigen Reisebussen wegfahren. Kaum, dass wir das Schwimmbad verlassen hatten, begann es wie aus Eimern zu regnen. Gutes Timing ist alles.

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